Mit Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21 liegt sie nun vor, die lange erwartete erste Entscheidung des für das gewerbliche Mietrecht zuständigen BGH-Senates zur Frage, ob ein Mieter von gewerblich genutzten Räume für die Zeit einer behördlich angeordneten Geschäftsschließung während der COVID-19-Pandemie zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet ist.
Wie zu befürchten war, kann man hierzu angelehnt an Bertold Brecht zitieren: „Wir sehen betroffen, den Vorhang zu und (fast) alle Fragen offen.“
Der 12. Senat schafft insofern zwar Klarheit, als dass er in diesen Fällen grundsätzlich das Vorliegen eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels ausschließt. Die entsprechenden Meldungen etwa in der Tagesschau, die von „Mietminderung“ sprechen, sind insofern sprachlich und rechtlich ungenau.
Auch schafft der 12. Senat Klarheit, dass in diesem Fall grundsätzlich ein Anspruch des Mieters auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäfts-grundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Dann aber schnürt das Gericht sowohl für die Instanzgerichte wie auch für die anwaltliche Praxis ein großes Aufgabenpaket: Der BGH verlangt nämlich in jedem Fall eine umfassende Abwägung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Eine von der Vorinstanz etwa ausgeurteilte pauschale 50/50-Aufteilung des Risikos verwirft er. Als Kriterien für diese umfassende Abwägung nennt er zwar z.B. den konkreten Umsatzrückgang im konkreten Mietobjekt (nicht Konzern), welche finanziellen Vorteile der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der Pandemie erlangt hat und Versicherungsleistungen, die aber wohl nicht abschließend gemeint ist. Eine wirtschaftliche Existenzgefährdung des Mieters verlangt er nicht. Im Ergebnis bedeutet das im Konfliktfall also eine umfassende Aufarbeitung sämtlicher insoweit relevanter Umstände durch Beteiligte und Gerichte.
Unabhängig davon bleibt dringend zu empfehlen, in neu abzuschließenden Mietverträgen zu dieser Frage eine konkrete Vereinbarung zu treffen. Die COVID-19 Pandemie und auch die Entscheidung des BGH sind ja allen Beteiligten bei Vertragsschluss bekannt.